SQ als fachübergreifende Qualifikationsziele
Warum Schlüsselqualifikationen an der Universität?
Im Bereich der Hochschulausbildung ist der Begriff "Schlüsselqualifikation" eng mit der als Bologna-Prozess bekannten europäischen Studienreform verbunden. Die Kernziele dieses Prozesses sind mit der Forderung nach Harmonisierung des europäischen Hochschulraumes gegeben: Die Mobilität der Studierenden zu erhöhen und die universitäre Ausbildung im Hinblick auf die Berufsfähigkeit der Absolventen zu verbessern. Dafür verwendet die Bologna-Erklärung den Begriff "employability". Berufsfähigkeit definiert sich dabei durch einen Kontext, der durch Globalisierung und Modernisierung, durch die Ausprägung der Wissensgesellschaft und durch veränderte Arbeitsmarktbedingungen für Akademiker geprägt ist. Die Hochschulen stellen sich der Forderung, ihre Absolventen "berufsfähig" auf den Arbeitsmarkt zu entlassen, indem sie eine Vielzahl von Maßnahmen ergreifen, die die Studierenden befähigen sollen, das an der Universität vermittelte Wissen im Beruf sinnvoll zur Wirkung kommen zu lassen. Sie fördern auf vielfältige Weise Schlüsselqualifikationen. Einen gesetzlich festgelegten Rahmen zur Vermittlung von Schlüsselqualifikationen an deutschen Hochschulen gibt es dabei nicht. Allerdings hat die Kultusministerkonferenz im Jahr 2001 die Empfehlung ausgesprochen, dass Bachelor-Studiengänge als erste berufsqualifizierende Abschlüsse überfachliche und berufsqualifizierende Elemente beinhalten sollen.
Dieser Engführung auf "employability" als alleinigem Qualitätssiegel der Schlüsselqualifikationen widerstreitet die Lehrpraxis an den verschiedenen Universitäten des Landes, die über berufsorientierte Kompetenzen im engeren Sinne hinausgehen. Doch erst die Frage nach dem Bildungsanspruch der Schlüsselqualifikationen revidiert deren funktionales, allein an den Bedingungen des Arbeitsmarktes ausgerichtetes Selbstverständnis zugunsten einer humanen Praxis, die sich intern nach drei Perspektiven ausdifferenzieren lässt: Rückt zum einen die bislang vernachlässigte Unterscheidung von Bildung und Ausbildung ins Zentrum der Betrachtung und mit ihr die Differenz zwischen der Entfaltung des "ganzen Menschen" und den spezifischen berufsorientierten Fertigkeiten, dann findet das Selbstverständnis der Schlüsselqualifikationen Anschluss an das Bildungskonzept humboldtscher Provenienz, dessen neuralgischer Punkt die Selbstbildung und Selbstbestimmung des Individuums war. Aus ihrem im Universum des Wissens eingefrorenen Bereich finden auch die Schlüsselqualifikationen Zugang zur kulturellen Moderne mit ihren nach Geltungsaspekten ausdifferenzierten Modi der Welterfahrung oder den Wertsphären von Wissenschaft, Moral und Recht und dem Bereich der Kunst; namentlich dann, wenn die Schlüsselqualifikationen auch das Orientierungswissen in Gestalt der Selbstreflexion der einzelnen Fächer einschließt, die sich auf erkenntnistheoretische, ethische-praktische oder politisch-gesellschaftliche Aspekte bezieht. Und nicht zuletzt, und darin besteht ihr spezifische Beitrag zur universitären Bildung, zielen die Schlüsselqualifikationen auf den angemessenen gesellschaftlichen Gebrauch erworbenen Wissens, indem sie ihren Beitrag zur Entfaltung der Urteilskraft der Studierenden leisten.
Welche Schlüsselqualifikationen für Studierende?
Der Begriff "Schlüsselqualifikationen" wird in der Literatur durch unterschiedliche und voneinander abweichende Definitionen und Kategorisierungen charakterisiert. Dem entspricht, dass auch an den verschiedenen Universitäten höchst unterschiedliche Herangehensweisen praktiziert werden.
Das Feld der Schlüsselqualifikationen umfasst folgende Bereiche, die hier im Sinne eines Überblicks genannt werden und weder exklusiv noch definitorisch zu verstehen sind:
- Kognitive, kommunikative und soziale Basiskompetenzen "soft skills" (Denken in Zusammenhängen, logisches und abstraktes Denken, Transferfähigkeit, Problemlösungsfähigkeit, schriftliche und mündliche Ausdruckfähigkeit, Präsentationstechniken, Konfliktfähigkeit, Teamfähigkeit, Führungsfähigkeit usw.);
- Persönlichkeitsmerkmale (Kreativität, Zuverlässigkeit, Ausdauer, Verantwortungsbereitschaft usw.);
- Praxisrelevante Techniken und Kompetenzen (juristisches und wirtschaftliches Grundwissen, EDV-Kenntnisse, Fremdsprachen, Projektmanagement);
- Berufsfeldorientierung (Journalismus, Management, aber auch Praktika in Unternehmen, Institutionen etc.);
- Orientierungswissen (Allgemeinbildung, die zum interdisziplinären Denken und Denken in Zusammenhängen befähigt, erkenntnistheoretische und ethisch-praktische Reflexion des in den Fächern vermittelten Wissens).
Auch an den neun baden-württembergischen Universitäten, die im Forum SQ BaWü vertreten sind, werden sehr unterschiedliche Ansätze praktiziert. Teils sind diese durch die Ausrichtung der Universität bedingt, teils beruhen sie auf den bereits vor dem Bologna-Prozess an der Hochschule vorhandenen Potenzialen und der jeweils gewonnen Expertise.
An "klassischen" Universitäten, die viele Geistes- und Naturwissenschaftler auf den Arbeitsmarkt entlassen, deren Studium an sich kein klar definiertes Berufsziel außerhalb der Wissenschaft hat, wird z.B. besonders auf den Berufsfeldbezug im Bachelorstudium geachtet.
An Technischen Universitäten stellen sich andere Anforderungen. Die Absolventen der ingenieurwissenschaftlichen Fächer haben hervorragende Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Aber ihre Arbeitsfelder sind besonders von Globalisierung und Modernisierung geprägt, und die internationale Konkurrenz wächst im Zuge der Globalisierung signifikant.
Für alle Universitäten gilt, dass die Verkürzung des grundständigen Studiums auf in der Regel vier Jahre bedeutet, dass die Studierenden zielgerichteter und praxisorientierter studieren müssen. Durch eine Verbesserung der Lehre insgesamt muss kompensiert werden, was durch die Straffung der Curricula an Fachwissen und Raum für Eigenorientierung verloren geht.